Am 23. November jährt sich der Mordanschlag von Mölln zum 30. Mal. Michael Saitner,
Vorsitzender der Landes-Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände wirbt im
Angesicht wachsender Fremdenfeindlichkeit und Rassismus für eine starke und solidarische
Gesellschaft.
In der Nacht auf den 23. November 1992 forderte ein hinterhältiger Anschlag auf zwei von
türkischen Familien bewohnte Häuser drei Todesopfer und neun Schwerverletzte. In Mölln
wird des Anschlags mit verschiedenen Initiativen gedacht. Dazu sagt der Vorsitzende der
Landes-Arbeitsgemeinschaft, Michael Saitner, heute in Kiel:
„Der Mordanschlag von Mölln hat seinerzeit bundesweit Entsetzen hervorgerufen. Dieses
Verbrechen mit rechtsextremem Hintergrund gilt uns allen auch heute und ganz aktuell als
Mahnung, entsprechenden Tendenzen von Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit
entschieden entgegen zu treten. Denn trotz Mahnungen und Erinnerungen brennen wieder
Flüchtlingsheime, werden Menschen wegen ihrer Herkunft oder Religion bedroht. Extremismus
hat in unserem Land immer noch zu viele böse Gesichter.“
Die soziale Atmosphäre ist hoch toxisch: Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine mit seinen
Auswirkungen auf den Energiemarkt, die explodierenden Preise für Lebensmittel und die Sorge
um die eigene Zukunft bieten perfide den perfekten Nährboden für Volksverhetzer, Rassisten und
Extremisten, deren Aktionen sich gegen Unschuldige, Minderheiten und die Schwächsten in der
Gesellschaft richten. Rassistische und antisemitische Tendenzen wachsen und gedeihen nicht im
Irgendwo, sondern, direkt vor unserer Haustür.
So haben jüngst Menschen übelsten Charakters die Wände der Geschäftsstelle der
Jüdischen Gemeinschaft Schleswig-Holstein, KdöR, in Kiel Gaarden mit Hakenkreuzen
beschmiert. „So ein Vorfall“, so Michael Saitner, „lässt niemanden kalt! Man will immer davon
ausgehen, dass Anschläge wie der von Schwerin aus dem Oktober diesen Jahres Einzelfälle
sind, aber wir sehen in Zeiten sozialer Zuspitzungen, dass sich die Tätermuster überall
wiederholen und stets die gleichen Opfer finden. Es sind immer wieder Menschen oder
Gruppen, gegen die Vorbehalte in der Gesellschaft geschürt werden. Dagegen muss sich die
Gesellschaft zur Wehr setzen!“ Aufs Schärfste verurteilte er den Angriff auf die jüdische
Geschäftsstelle und auf jüdisches Leben insgesamt.
Viktoria Ladyshenski, Geschäftsführerin der Jüdischen Gemeinschaft Schleswig- Holstein,
zeigte sich zutiefst betroffen. „Es beginnt mit Schmierereien an den Wänden und wird weiter
eskalieren, wenn die Gesellschaft sich nicht deutlich gegen diese Angriffe zur Wehr setzt!“.
Es geht ihr in diesem Zusammenhang ausdrücklich nicht nur um Antisemitismus, sondern
um Ausgrenzung, Bedrohung und Gewalt im Grundsatz.
Auch der Landesverband der jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein nimmt eine
Verschärfung von Angriffen wahr. Beschimpfungen und Verunglimpfungen auf digitalen
Wegen gehören dort schon fast zur Normalität. Dr. Inna Shames, Geschäftsführerin des
Verbands erklärte, dass der soziale Sprengstoff in der Gesellschaft für eine erhöhtes
Gefährdungspotenzial der jüdischen Bürger führt. „Wir dürfen uns nicht mit radikalen Kräften
in diesem Land arrangieren. Wer Wände beschmiert oder sich in der Anonymität der
digitalen Welt versteckt, wird weiter eskalieren!“ Diese Gefahr sieht auch Viktoria
Ladyshenski. „Wir brauchen Schutzkonzepte, aber vor allem kein Schweigen, sondern die
Solidarität in der Gesellschaft.“
Diese Solidarität unterstrich Michael Saitner für die Wohlfahrtsverbände: „Für uns ist jeder
Tag ein Tag der Solidarität mit allen vulnerablen Gruppen und Menschen. Eine intensive
Gedenk- und Mahnkultur ist eine wichtige Basis, ebenso wichtig ist es aber, für und vor allem
mit den Betroffenen und den von Extremismus jeglicher Art bedrohten Menschen jeden Tag
aktiv die wehrhafte und solidarische Gesellschaft zu praktizieren.“