Die Frage, wie gerechtes Wohnen in unserer Gesellschaft organisiert und strukturiert verankert werden kann, gehört zu den großen Herausforderungen unseres täglichen Lebens.
Die LAG-FW hat zu diesem Thema eine Projektarbeitsgruppe gebildet, die bereits ein eigenes Positionspapier vorgelegt hat.
Zu den parlamentarischen Initiativen 19/1751 und 19/1787 äußert sich die LAG-FW gegenüber dem Innenausschuss des Landtags wie folgt:
Stellungnahme
a) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Wohnraumförderung in Schleswig-Holstein; Gesetzentwurf der Abgeordneten des SSW, Drs. 19/1751
b) Transparenz auf lokalen Wohnungsmärkten schaffen – Erstellung von qualifizierten Mietspiegeln fördern!; Antrag der Fraktion der SPD, Drs. 19/1787
Sehr geehrte Frau Ostmeier,
sehr geehrte Mitglieder des Innenausschusses,
für die Möglichkeit, zu oben genannten parlamentarischen Initiativen Stellung zu nehmen, danken wir.
Gestatten Sie uns einführend einige grundlegende Bemerkungen:
Für die Kollegialverbände der Landes-Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände gehört „Wohnen“ zu den existenziellen Grundbedürfnissen jedes Menschen. Wohnen ist ein Menschenrecht, das durch die allgemeine Erklärung der Menschenrechte und durch den UN-Sozialpakt festgehalten wurde.
Der Staat hat die Pflicht, das Menschenrecht auf angemessenen, menschenwürdigen und bezahlbaren Wohnraum durch eine wirksame Rechtsgestaltung zu respektieren und vor den Eingriffen Dritter zu schützen. Der Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt muss aktiv begegnet und das Recht auf bezahlbaren Wohnraum sollte in der Landesverfassung verankert werden.
Wir erkennen im Wohnungsmangel ein mehrdimensionales Problem. Ursachen für drohende Wohnungslosigkeit sind bei den stark belasteten Haushalten vielfältig. In der Versorgung verschieden belasteter Menschen mit geeignetem Wohnraum stelle eine besondere Herausforderung dar. Gründe für prekäre Situationen sind maßgeblich auf wohnungsbaupolitische Fehlentscheidungen und Versäumnisse der Vergangenheit zurückzuführen. Dazu zählen u.a. der Rückgang öffentlich geförderter, gebundener Sozialwohnungen, der Verkauf kommunaler Wohnungsbestände, die Vergabe öffentlicher Liegenschaften, welche sich an Höchstgeboten orientiert, Spekulationen mit Grundstücken sowie Mietpreiserhöhungen bei Neuvermietung und Modernisierung. Auf die Besonderheiten, die Schleswig-Holstein als Flächenland vor die Herausforderungen stellen, angemessenen Wohnraum für alle bereit zu stellen, gehen wir an dieser Stelle nicht ein, erlauben uns aber den Hinweis, dass darüber hinaus auch zwischen den kommunalen und landespolitischen Aufgaben zu unterscheiden ist. Wir würden uns aber wünschen, dass diese Aspekte Einzug in ein politisches Handlungskonzept des Landes finden würden. Ein Handlungskonzept, das geeignete Maßnahmen bündelt und so Einzelaktionen ablösen kann.
Mit großer Sorge stellt die Landes-Arbeitsgemeinschaft fest, dass aktuell kaum überzeugende Instrumente zum Schutz und zur Sicherung von Wohnraum vorliegen. Wir werten die nun vorgelegten Initiativen als Beitrag, aus dem Gutachten des Pestel-Instituts für Systemforschung und dem darauf basierenden Bericht der Landesregierung eigene politische Initiativen zu entwickeln.
Im Einzelnen:
a) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Wohnraumförderung in Schleswig-Holstein; Gesetzentwurf der Abgeordneten des SSW, Drs. 19/1751
Die Fehlbelegungsabgabe ist prinzipiell ein naheliegender und pragmatischer Ansatz. Erfahrungen aus der Praxis zeigen hingegen, dass die Fehlbelegungsabgabe allein nicht zu mehr Wohnraum führt. Die Menschen, die im Zweifelsfall ausziehen müssen, benötigen dann alternativen Wohnraum, der meist nicht vorhanden ist. Darüber hinaus erhalten wir Hinweise, dass der bürokratische Aufwand in keinem begründbaren Verhältnis zur Wirkung der Maßnahme steht. Daran schließt sich die Frage an, ob die Fehlbelegungsabgabe aus der Vergangenheit exakt wegen dieses Mangels abgeschafft wurde.
Um hier die Grundlage für eine fundierte Empfehlung zu schaffen, sollte nicht nur diese Frage beantwortet werden, sondern auch eine Darstellung zugrundgelegt werden, wie sich die Lage am Wohnungsmarkt mit Schwerpunkt ‚sozialer Wohnungsmarkt‘ bezogen auf die Kreise und kreisfreien Städte darstellt. Eine entsprechende systematische und regelmäßige Berichterstattung würde auch Rückschlüsse auf die Wirksamkeit eines Instruments wie der Fehlbelegungsabgabe landesweit erlauben.
Es gibt fundierte Einschätzungen zur Fehlbelegungsabgabe, nach denen diese zu einer fortschreitenden Entmischung von Wohnquartieren führt. Sofern dieses Argument nicht zu entkräften ist, wäre mit wachsenden sozialen Problemen als Folge fortschreitender Segregation, Fluktuation und Leerstand zu rechnen. Weiteres Folgen wären nach dem Imageverlust der Wohnbezirke, sinkenden Investitionen und eine erschwerte Wiedervermietung..
Der Gesetzentwurf der Abgeordneten des SSW sieht eine Gesetzesänderung mit dem Ziel vor, die bisher geltenden Kündigungs- und Räumungsmöglichkeiten zu überarbeiten und Menschen die Möglichkeit einzuräumen, im gewohnten Umfeld zu verbleiben. Es stellt sich die Frage, ob die Annahme realistisch ist, dass Menschen eher eine Fehlbelegungsabgabe zahlen als anderen Wohnraum zu suchen. Dies scheint aus unserer Sicht fraglich.
Die Erweiterung der Zielgruppe der sozialen Wohnraumförderung auf z.B. Wohnungslose ist zu begrüßen. Es sei allerdings der Hinweis gestattet, dass auch bisher im Gesetz von „Personen in sozialen Notlagen“ die Rede ist. Eine Präzisierung an dieser Stelle ist daher nicht zwingend nötig, aber unschädlich.
Insgesamt müsste der Gesetzentwurf formal überarbeitet werden, da in § 11 nicht nur die Absätze 5 und 6 hinzugefügt werden, sondern auch die Absätze 7-9.
b) Transparenz auf lokalen Wohnungsmärkten schaffen – Erstellung von qualifizierten Mietspiegeln fördern!; Antrag der Fraktion der SPD, Drs. 19/1787
Auch im Hinblick auf qualifizierte Mietspiegel zeigt sich Schleswig-Holstein heterogen. Lediglich in wenigen Kommunen gibt es entsprechende Erhebungen, so dass wir die Förderung qualifizierter Mietspiegel landesweit begrüßen. Die Ausweitung des Betrachtungszeitraums ist in diesem Zusammenhang zielführend.
Zusammenfassend stellen wir fest, dass die beiden vorgeschlagenen Initiativen grundsätzlich als Beitrag zur Verbesserung der Situation auf dem Wohnungsmarkt in Schleswig-Holstein zu verstehen sind. Sie können ggf. Bausteine für ein fundiertes Handlungskonzept sein, das auf die Besonderheiten des Flächen -und Urlaubslands Schleswig-Holstein, die unterschiedlichen politischen Verantwortungsebenen und verschiedene Erfahrungen eingeht. Für sich allein genommen, wird keine Initiative den großen Herausforderungen im Bereich „Wohnen“ lösen können. Leider bleibt der Antrag hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung ohne fundierten Ansatz.
Weitere Punkte, die hier Berücksichtigung finden müssen sind eine sozial gerechte Bodenvergabe, Konzeptvergaben, Quartiersentwicklung bereits beim Bau mit- und einplanen, soziale Wohnraumförderung, Zweckentfremdungsverbot, Belegungsbindungen, Investivmittel auch für Träger sozialer Einrichtungen zur Schaffung von Wohnraum oder zur Sicherung eines besseren Zugangs zu bestehendem Wohnraum, Förderung von Modellen in Richtung inklusives Wohnen, Förderung von Housing First Projekten, Wohnen und Gemeinwohlorientierung, Perspektiven für ländliche Räume, Mobilität, guter ÖPNV, task force „Wohnen“, um nur einige zu nennen.
Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Saitner
stell. Vorsitzender