Sehr geehrte Frau Ostmeier,
wir danken Ihnen recht herzlich für die Möglichkeit einer Stellungnahme zum oben ge-nannten Gesetzentwurf.
Wie schon im Rahmen der einzelnen Stellungnahmen der Freien Wohlfahrtverbände zu erlesen ist, wird die Errichtung einer Abschiebehafteinrichtung in Schleswig-Holstein in ihrer geplanten Form in Frage gestellt bzw. abgelehnt.
Wir verfügen in unserem Bundesland bereits über geeignete Maßnahmen, um ausreise-pflichtige Geflüchtete im Rahmen der freiwilligen Rückkehr aktiv zu unterstützen. Sollte dieser Weg für Einzelne nicht möglich erscheinen, wurden andere Parameter durch das Land Schleswig-Holstein geschaffen, um die Ausreise durchzusetzen. Die aktuellen Zahlen des Zuwanderungsberichtes in Schleswig-Holstein vom Monat Oktober 2018 zeigen, dass zum einen die Asylzugangszahlen deutlich rückläufig sind und auf das Niveau des Jahres 2013 zurückgegangen sind. Zum anderen zeigen sie, dass auch ohne eine eigene Abschiebungshafteinrichtung in Schleswig-Holstein in diesem Jahr bislang 135 Abschiebungen vollzogen wurden und in den Vorjahren bis zu dreimal so viele Abschiebungen stattfinden konnten. Für Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern lassen sich ähnliche Tendenzen feststellen. D.h. für die Betroffenen ist die Abschiebungshaft ein ethisches und faktisch nicht zu vertretenes Instrument, um die Ausreise durchzusetzen, sondern auch der Bedarf an einer solchen Einrichtung wird von uns nicht gesehen. Die Einrichtung ist vielmehr für ein Bundesland, welches sich in vielen Teilen eine liberale Flüchtlingspolitik auf die Fahnen schreiben konnte, ein nicht akzeptables Mittel zur Durchsetzung von Ausreisen. Grundsätzlich sollte einer freiwilligen Rückkehr für Ausreisepflichtige, die keine Perspektive in Deutschland haben, immer Vorrang gewährt werden. Dazu muss ein angemessenes und unabhängiges Beratungsangebot sicher gestellt sein und für jede/n Betroffenen zugänglich sein.
Insgesamt gibt der Gesetzentwurf einen Überblick über die Grundsätze und den Geltungsbereich,beschreibt aber nicht die konkrete Umsetzung der erwähnten Maßnahmen. Dies soll in einem ergänzenden Erlass Niederschlag finden, lässt aber zum jetzigen Zeitpunkt vieles offen und ungeklärt und ist dann im ministeriellen Vollzug jederzeit veränderbar, was aus unserer Sicht schwierig ist, da dies nicht mitbestimmungspflichtig
ist. So ist nicht erkennbar, ob Ressourcen für Angebote wie Seelsorge, unabhängige soziale Beratung, Perspektivenberatung oder rechtliche Vertretung sowie Freizeit- und Sportaktivitäten von Externen vorgesehen ist. Auch ist nicht erkennbar, ob es geeignete Räumlichkeiten für Beratungsangebote, Bildungsangebote, Freizeitmöglichkeiten oder Seelsorgegespräche gibt.
Im Folgenden wird nun zu einigen Schwerpunktthemen zum Gesetzentwurf wie Stellung bezogen:
§ 3 Aufnahme
Die Regelung in §3 zum Besitz von Geräten, mit denen Bild- oder Videoaufnahmen gefertigt
werden können, ist den Untergebrachten untersagt. Dies besagt, dass die Nutzung
eigener Handys nicht erlaubt wird. Hier ist zu bedenken, dass das Handy für die
Betroffenen oftmals die einzige Verbindung zu Freunden und Familie ist. Es dient als
Adressbuch und Datenspeicher für Ausweisdokumente, Urkunden und Zeugnisse. Aus
den Erfahrungsberichten unserer Migrationsberater/innen hat das Handy einen elementaren
Stellenwert für die Migranten/tinnen
§ 4 Unterbringung
Wir sprechen uns generell gegen eine Inhaftierung von Frauen und Kindern aus. Alternativ
sollen sie im Fall einer Ausreisepflicht in der Landesunterkunft für Ausreisepflichtige
untergebracht werden.
Wir sprechen uns zusätzlich dafür aus, dass schwangere Frauen ab der 12. Woche, Alleinerziehende,
Eltern mit Kindern unter 12 Jahren, Menschen mit Behinderung, traumatisierte
Menschen sowie chronisch oder akut erkrankte Menschen nicht inhaftiert werden.
Den Gesundheitszustand der Untergebrachten gilt es angemessen zu berücksichtigen
und eine adäquate medizinische Versorgung ist sicherzustellen.
Wir lehnen es ab, dass mit der Errichtung der Abschiebehafteinrichtung eine kostenintensive
Einrichtung geschaffen wird, die die Voraussetzungen für die Inhaftierung von
Minderjährigen (Art. 17 EU-Rückführungsrichtlinie) erfüllen soll. Einer solchen Einrichtung
bedarf es nicht, denn Minderjährige sind von der Abschiebehaft per se auszuschließen.
Es ist weiterhin nicht hinnehmbar, dass Kinder aufgrund der gesetzeswidrigen Taten der
Eltern in Mitleidenschaft gezogen werden. Kinder benötigen ein kinderfreundliches Umfeld,
das ihre Entwicklung zu selbstbestimmten und gesunden Individuen ermöglicht.
Dazu benötigen sie eine gewaltfreie Erziehung und förderliche Rahmenbedingungen, die
sich in einer Vollzugsanstalt nicht realisieren lassen (vgl. § 1631 Abs. 2 BGB „Kinder haben
ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafung, seelische Verletzungen
und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“)
§ 6 Medizinische Versorgung und Beratung
Im Absatz 2 ist vorgesehen, dass die Einrichtung den Zugang zu einer behördenunabhängigen
Beratung durch eine geeignete, auf dem Gebiet der Ausländer- und Flüchtlingshilfe
tätige Organisation gewährleisten soll. Eine unabhängige Verfahrens- und
Rückkehrberatung muss den Betroffenen in der Einrichtung zur Verfügung stehen. Dabei
sollte es sich um ein Team aus mindestens zwei Personen handeln, das sich austauschen
und unterstützen kann. Ressourcen für Dolmetscherdienste und geeignete Räumlichkeiten,
beispielsweise ein Beratungsbüro mit einer technischen Ausstattung etc., sind notwendig.
Weiterhin ist dargestellt, dass den unabhängigen Berater*innen auf Antrag der Zugang
zur Einrichtung gewährt werden kann. Auch das Verfahren ist näher zu beschreiben und
darf im Einzelfall nicht dazu führen, dass wertvolle Zeit verstreicht. Das kostenfreie Telefonieren
zu unabhängigen Beratungsstellen ist zu ermöglichen.
§ 20 Dokumentation und § 21 Beirat
Die Dokumentationspflicht und Zusammensetzung eines unabhängigen Beirats wird
ausdrücklich begrüßt. Es sollen aus Gründen der besonderen psychischen Gesundheitsgefährdung
Fachkräfte aus dem psychotherapeutischen- psychiatrischen Kontext im
Beirat vertreten sein, sowie andere Externe wie dem Beauftragten für Flüchtlings-, Asylund
Zuwanderungsfragen des Landes Schleswig-Holstein und Vertretern der Zivilgesellschaft.
Durch den Beirat muss sichergestellt sein, dass Abläufe in der Einrichtung transparent
sind.
Angesichts der bekannt gewordenen Fälle von Misshandlungen von Geflüchteten werden eine weitreichende Informations- und Dokumentationspflicht für sämtliche angeordnete Maßnahmen in der Haftanstalt in einer für die Untergebrachten verständlichen Form und Sprache durch externe Mitarbeitende gefordert. Des Weiteren bedarf es einer Erweiterung des Beschwerderechts der Untergebrachten, welches nicht nur auf die eigene
Person beschränkt ist. Der Beirat soll zwischen den Untergebrachten und der Leitung vermitteln.