Schriftliche Anhörung Ausbildung in den Gesundheitsfachberufen schulgeldfrei gestalten, Antrag der Fraktion der SPD, Drs. 19/437
und
Gesundheitsfachberufe fördern, Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, Drs. 19/479
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
Die Landes-Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände (LAG FW) bedankt sich für die Möglichkeit zur Stellungnahme zu den o.g. Anträgen.
Die Nachwuchsgewinnung von Fachkräften aus der Pflege und aus den Gesundheitsfachberufen wie Logopädie, Ergotherapie oder Physiotherapie ist ein entscheidendes Anliegen vieler unserer Einrichtungen im Gesundheitswesen, in der Pflege und Betreuung von Menschen mit Behinde-rungen. Hier gibt es seit einigen Jahren einen eklatanten Fachkräftemangel zu beklagen, der zu-künftig noch weiter fortschreiten und daher in seinen Auswirkungen an Brisanz zunehmen wird. Dies hat die LAG FW mit einer Studie zur Sozialwirtschaft auch für Schleswig-Holstein wissen-schaftlich belegt. Sie sieht in vielen Bereichen die Gefahr, dass die Versorgung der betreuten Menschen nicht mehr auf dem notwendigen hohen qualitativen Niveau gewährleistet werden kann.
Wir freuen uns daher über die Aussage, dass die Sicherung einer qualitativ hochwertigen Versor-gung in Schleswig-Holstein zu den zentralen Anliegen der Landesregierung gehört.
Die LAG FW begrüßt jede Initiative, die dazu beitragen kann, diesen Fachkräftemangel einzudämmen. Die Erhöhung des Zuschusses für (Alten-)Pflegeschulen wurde daher bereits als wichtiges Zeichen für die Stärkung der Pflegeberufe gesehen. Sie reicht aber bei weitem nicht aus: In den Pflegeberufen ist es bereits gelungen, die Ausbildung schulgeldfrei zu gestalten und den Schüler*innen eine Ausbildungsvergütung zu zahlen. Dieses Prinzip sollte auf alle Gesundheitsberufe übertragen werden.
Wir sollten, ausgehend von dieser Forderung, auch die Diskussion über den Wechsel zu einem dualen, praxisbezogenen Ausbildungssystem führen.
Die Fähigkeit zu Bewegungen, zur Kommunikation und zur möglichst selbständigen Regelung der eigenen Belange gehört zu den Grundbedürfnissen von Menschen. Sie ist die Voraussetzung für Partizipation in allen Bereichen. Deshalb ist es eine zentrale Aufgabe des Staates, auf diese Grundbedürfnisse einzugehen und für eine ausreichende Anzahl an Fachkräften zu sorgen. Gera-de im Hinblick auf die demographischen Veränderungen steigt der Therapiebedarf. Qualifizierte Therapien können Kosten im Gesundheitswesen sogar senken, weil sie Pflegebedarf verhindern, hinauszögern bzw. verringern und teilweise kostenintensiven Operationen vorbeugen können.
Es ist nicht vermittelbar, warum ein junger Mensch für eine Ausbildung in einem gesellschaftlich relevanten, dringend benötigten Berufsfeld ein hohes Schulgeld zahlen soll, während es bei anderen Berufen üblich ist, eine Ausbildungsvergütung zu bekommen! Dies bedeutet gegebenenfalls, den Start ins Berufsleben mit einem Schuldenberg zu beginnen, denn es besteht die Möglichkeit, ein Darlehen aufzunehmen. Die Rückzahlung ist aber kaum möglich, da auch die Bezahlung in diesen Berufen nicht überaus attraktiv ist. Die Situation ist nicht vergleichbar mit den Darlehensanteilen beim Bafög von Studierenden, da diese später deutlich mehr verdienen. Dazu kommt: Im Ausbildungspraktikum (meist 6-12 Wochen am Stück) wird ohne Bezahlung anteilig gearbeitet und gleichzeitig muss noch Schulgeld gezahlt werden und auch nach Abschluss der Ausbildung in Gesundheitsfachberufen sind die Absolventen finanziell stark gefordert, da in der Regel teure und umfangreiche Kurse für Spezialsierungen nötig sind (z.B. Bobath-Kurs, FOTT-Kurs). Für viele Menschen der jungen Generation, die nun in die Ausbildung gehen wollen, ist der Gedanke absurd, erhebliche Summen auszugeben, um anschließend in einem physisch und psychisch anstrengen-den Beruf zu arbeiten, der im Vergleich zu Facharbeitern in anderen Berufssparten wesentlich schlechter bezahlt ist.
Es besteht dringender Handlungsbedarf und die Streichung des Schulgeldes halten wir daher für absolut notwendig und einen ersten Schritt in die richtige Richtung. (Dies sollte unbedingt bundesweit einheitlich durchgesetzt werden.) Auch eine Akademisierung der Berufsgruppen wäre möglicherweise ein denkbarer Weg.
Darüber hinaus hält die LAG-FW weitere Anstrengungen zur Sicherung der Nachwuchsgewinnung in der Pflege und den anderen Gesundheitsfachberufen für unerlässlich und steht für entsprechende Gespräche zur Verfügung.