Sehr geehrter Herr Kumbartzky,
für die Möglichkeit, zum Bericht der Landesregierung Stellung zu nehmen, danke ich im Namen der Kollegialverbände sehr herzlich.
Die nachhaltige Entwicklung unserer Gesellschaft spielt in den Mitgliedsverbänden der Landes-Arbeitsgemeinschaft und ihrer Unterorganisationen und Mitglieder eine wesentliche Rolle. Dabei nehmen wir nicht nur unsere Pflichten zur Gestaltung unserer Gesellschaft wahr, sondern vertreten auch unsere Mitglieder und alle Menschen, die die anwaltschaftliche Unterstützung der freien Wohlfahrtsverbände sehr dringend benötigen.
Aus diesen verschiedenen Perspektiven heraus möchten wir den Bericht der Landesregierung konstruktiv-kritisch bewerten.
Die siebzehn vereinbarten Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen markieren die Grundfesten einer Gesellschaft, die lebenswert für alle sein soll. Keine Armut, kein Hunger, Gesundheit und Wohlergehen für alle, Bildungszugänge für alle, sauberes Wasser und Sanitärversorgung, bezahlbare und saubere Energie, verantwortungsvolle Konsum- und Produktionsmuster, menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum finden in diese Ziele ebenso Einzug wie die Geschlechtergleichstellung, Industrie, Innovation und Infrastruktur und nachhaltige Städte und Gemeinden, Maßnahmen zum Klimaschutz, Leben unter Wasser und an Land sowie Frieden und Gerechtigkeit und starke Institutionen. Gleichermaßen finden wir das Ziel „weniger Ungleichheiten“ und die Partnerschaft zur Erreichung der Ziele. Jedes einzelne Ziel ist unentbehrlich und als Aufgabenkatalog für die Zukunftsfähigkeit der Welt unverzichtbar.
Die Landesregierung legt mit der Drs. 19/3062 einen Bericht vor, der die Maßnahmen zur Bildung für nachhaltige Entwicklung darstellt, die ergriffen wurden, um die Ziele der Vereinten Nationen zu erreichen.
Wir möchten uns in unserer Stellungnahme auf drei wesentliche Kritikpunkte beziehen.
Zum einen auf die Nicht-Berücksichtigung wesentlicher Zielgruppen und zum anderen auf das Fehlen einer finanziellen Unterfütterung des im Bericht dargestellten; dies vor allem auch in der Perspektive. Des Weiteren möchten wir das Thema Digitalisierung konstruktiv bewerten.
Seite 7 ff Bildung als Beispiel für die fehlende Berücksichtigung wesentlicher Zielgruppen in unserer Gesellschaft
„Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) soll den Menschen ermöglichen, ihr Leben nachhaltig zu gestalten. (…) Mit der vorliegenden Landesstrategie möchten wir als Landesregierung daran anknüpfend Bildung für nachhaltige Entwicklung fest in der schleswig-holsteinischen Bildungslandschaft verankern: Als Leitprinzip soll das Bildungskonzept BNE systematisch eingeführt und gelebt werden. Dafür haben wir spezifische Ziele innerhalb der einzelnen Bildungsbereiche definiert – vom Kindes- über das Jugend- und Erwachsenen- bis zum Seniorenalter. Auch wollen wir, dass flächendeckend eine gleichbleibende Qualität von BNE gewährleistet ist und dass alle mit Bildung befassten Akteure im Land besser als bisher vernetzt werden. Das Ziel ist, dadurch Synergien zu erschaffen und Schleswig-Holsteins Bildungslandschaft nachhaltig zu stärken.
Bewertung: Die LAGFW unterstützt die Landesregierung in der Gedankenführung, jeden Menschen in diesem Land zu einem verantwortlichen Handeln und Leben zu befähigen. Der Bericht verweist dazu im Einzelnen auf die Handlungsfelder Schule, Berufliche Bildung, Hochschule und non-formale Bildung bzw. berufliche Weiterbildung. Sie geht hier offenbar von homogenen Zielgruppen aus. Diese homogenen Zielgruppen entsprechen allerdings nicht der Lebenswirklichkeit. Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Behinderungen oder Menschen in prekären Lebenssituationen benötigen andere und eigene Unterstützungsmaßnahmen und Zugänge zu den Bildungseinrichtungen- und Angeboten. Leider finden diese vulnerablen Gruppen an keiner Stelle im Bericht eine Erwähnung oder gar eigene Betrachtung. Dies legt die Vermutung nahe, dass es weder das eine noch das andere politisch-strukturiert gibt und dies ist ein großes Versäumnis der Politik und der politischen Gedankenführung, die durch „weiße Flecken“ in der Gesamtdarstellung des Berichts sichtbar wird.
Inklusion findet sich an keiner Stelle wieder, zählt aber unbestritten zu den siebzehn Zielen der Vereinten Nationen und sollte daher auch im Bereich der nachhaltigen Bildung unbedingt berücksichtigt werden.
Auch die Menschen mit Migrationshintergrund, die gerade durch die Corona-Pandemie in besonderer Weise in ihren Integrationsbemühungen zurückgeworfen wurden, müssen eigene Zugänge zur nachhaltigen Bildung erhalten, die im Bericht nicht zu erkennen sind.
Es wäre wünschenswert, wenn die Landesregierung sich dazu erklären und das ggf. entstandene Missverständnis, besonders benachteiligte Menschen seinen politisch von nachhaltigen Bildungsentwicklungen abgeschnitten, aufklären und mit konkreten Planungsansätzen entkräften würde.
Seite 10 ff Digitalisierung
Der Bericht der Landesregierung zur Landesstrategie „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ greift auch das Thema der Digitalisierung auf und bringt es sinnvoll in Verbindung mit den Erfordernissen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung. So heißt es: „BNE muss heute mit einem weiteren großen Transformationsprozess, der Digitalisierung, zusammenwirken. Ganzheitliche Bildung beinhaltet im Rahmen des Lehr- und Lernkonzepts BNE die Digitale Bildung. Ohne Digitale Bildung und ohne ein Bewusstsein für die Risiken und Chancen der digitalen Transformation, ist ein eigenständiges und verantwortungsvolles Handeln als Weltbürger kaum mehr denkbar“ (Seite 10)
Vor allem für die öffentliche Verwaltung wird ein visionäres Bild gezeichnet, das geeignet ist, Staat und Gesellschaft zur nötigen Modernisierung zu verhelfen. So sollen Mitarbeiter*innen der öffentlichen Verwaltung in die Lage versetzt werden, „zugunsten des Allgemeinwohls eigenständige, auf den Grundsätzen eines demokratischen Rechtsstaats basierende und an Nachhaltigkeitszielen ausgerichtete Entscheidungen treffen können“ (Seite 81) – und das in einem „von der Digitalisierung geprägten Verwaltungsalltag“ (Seite 82)
Bewertung: Die LAG unterstützt diese Vision vollumfänglich. Um sie ernsthaft zu verfolgen, sind erhebliche finanzielle Ressourcen nötig, die nicht nur für die öffentliche Verwaltung direkt zur Verfügung stehen, sondern auch für die Schnittstellen zu ihren Partnern in der Freien Gemeinnützigen Wohlfahrtspflege, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft.
Seite 13 ff Frühkindliche Bildung als Bespiel für fehlenden Rahmenbedingungen
Der Bereich der frühkindlichen mag bespielhaft herangezogen werden für einen weiteren Mangel in dem Bericht, der sich auf die Rahmenbedingungen für nachhaltige Bildung bezieht.
Die Landesstrategie beschreibt eine Reihe von Maßnahmen und Ideen, die sinnvoll für den frühkindlichen Bereich sind. Die LAG-FW trägt die beschriebenen Skizzen uneingeschränkt mit. Aber gerade vor dem Hintergrund des neuen Kita-Gesetzes verweisen wir nachdrücklich auf das Fehlen jeder finanziellen Unterfütterung. Jede Maßnahme, jede Schulung von Mitarbeiter*innen, jedes neue Projekt, jeder neue Auftrag kosten Geld. Die finanzielle Absicherung aller Pläne, Maßnahmen und Projekte ist zwingen für deren Umsetzbarkeit und Erfolg. Die Konzentration auf nachhaltige Lyrik in einem Bericht kann nur überzeugen, wenn parallel dazu die Finanzierung sichergestellt und transparent nachvollziehbar wird. Dies gilt für alle dargestellten Bildungsbereiche. Die Landesregierung ist hier gebeten, für transparente Nachvollziehbarkeit zu sorgen, wenn der Bericht seriös diskutiert werden soll. Die Wohlfahrtsverbände haben ohne diese wesentliche Basis Zweifel an der Durchsetzbarkeit und dem Erfolg der beschriebenen Strategien, erleben wir doch aktuell, wie in verschiedenen Ressorts auch und gerade im Bereich Bildung globale Mindereinnahmen zu erwirtschaften sind, die wichtige Bildungsprojekte in ihrem Erfolg gefährden. Erst wenn die Finanzierung gesichert und dies glaubhaft kommuniziert ist, werden sich Durchschlagkraft und Erfolg der zustimmungswürdigen Ideen der Landesregierung überzeugend darstellen.
Fazit
Ohne an dieser Stelle auf jeden einzelnen Abschnitt des Berichts einzugehen, fassen wir für die Kollegialverbände unsere Anmerkungen folgendermaßen zusammen:
Der vorgelegte Bericht enthält, attraktiv und anschaulich dargestellt, viele gute Ansätze, um den Gedanken der Bildung für nachhaltige Entwicklung in verschiedene Bildungsaufträge und Bereiche zu implementieren. Die LAG-FW unterstützt diese Ansätze und Ideen ausdrücklich.
Allerdings sind nicht alle Menschen so berücksichtigt, wie wir es uns in einer geeinten und respektvollen, auf nachhaltige Bildung angewiesenen Gesellschaft erwarten.
Ein Hinweis auf die besonderen Bedarfe von Menschen mit Behinderungen, sozial benachteiligten Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund ist aus unserer Sicht zwingend.
Gute und ehrenwerte Ziele und Ideen werden nur volle Unterstützung finden können, wenn diese finanziell unterfüttert sind und die Ausfinanzierung transparent dargestellt wird. Auch dieser Aspekt fehlt im vorgelegten Bericht. Er sollte zwingend Darstellung finden und eine Perspektive für die Maßnahmen aufzeigen, die in einer mittelfristigen Finanzplanung verankert sein müssen.
Das Projekt der nachhaltigen Entwicklung ist ein Auftrag an die Generationen – er sollte auch so politisch verstanden und aufgestellt werden.
Für Rückfragen und eine vertiefte Diskussion stehen wir gerne zur Verfügung.
Mit besten Grüßen.