Sehr geehrter Herr Wagner,
die LAG der freien Wohlfahrtsverbände Schleswig-Holstein e.V. bedankt sich für die Möglichkeit, zum oben genannten Dokument und den Änderungen Stellung nehmen zu können.
Als Träger von mehr 85% aller Einrichtung der Kindertagesbetreuung in Schleswig-Holstein haben wir den Reformprozess der Kindertagesbetreuung in Schleswig-Holstein stets aktiv und mit dem Gefühl, wesentliche Verbesserungen für die Kindertagesbetreuung zu bewirken, begleitet. Umso bedauerlicher ist es, dass das Reformvorhaben hinter den Erwartungen der Träger von Einrichtungen der Kindertagesbetreuung und den Beschäftigten im Bereich der Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern zurück bleibt und die seit Monaten vorgetragenen Kritikpunkte und Befürchtungen nicht zu Nachbesserungen im Gesetz geführt haben. Es ist zu jetzigen Zeitpunkt festzustellen, dass insbesondere das Ziel der Qualitätsverbesserung nur an einzelnen Standorten im Land tatsächlich erreicht wird.
Dass das Gesetz lediglich Mindeststandards festschreibt, die zum Teil deutlich unter den schon heute in den Einrichtungen vorhandenen Standards liegen, führt derzeit ganz konkret dazu, dass viele Einrichtungen kaum oder nur in einzelnen Bereichen von den vermeintlichen Qualitätsverbesserungen profitieren. Die Tatsache, dass es keine rechtliche Absicherung der derzeitigen in den Einrichtungen vorhandenen Qualitäten gibt, führt zu den befürchteten sowie immer wieder angemahnten Absenkungen. An vielen Stellen in Schleswig-Holstein finanzieren Kommunen die derzeit vorhandenen besseren Qualitäten bspw. im Bereich der Leitungsfreistellungen oder den Verfügungszeiten entgegen der Erwartungen des Ministeriums nicht weiter, sondern beschreiten den vom Gemeindetag propagierten Konvergenzpfad. In den Trägerverhandlungen wird massiv und nahezu flächendeckend darauf gedrängt, dass ausschließlich die Qualitäten des SQKM, also lediglich die Mindeststandards, finanziert werden (Beispiel folgend).
Wir erlauben uns Ihnen folgend an einigen exemplarischen Beispielen aufzuzeigen welche Entwicklungen und Herausforderungen sich durch die Kitareform in der Praxis derzeit ergeben und ein Nachsteuern durch Sie dringend erforderlich ist.
Absenkung der Qualitäten
In diversen Kommunen werden Trägerverträge mit der unten stehenden bzw. ähnlichen Formulierungen vorgelegt:
Zitat aus einem uns vorliegenden Trägervertrag:
„Die Vertragspartner streben daher gemeinsam an, dass die notwendigen Betriebskosten der Kindertageseinrichtung bis spätestens Ende 2024 durch den Förderanspruch des Einrichtungsträger § 15 KiTaG gegenüber dem örtlichen Träger abgedeckt werden können und keine weitere Finanzierung durch die Stadt mehr erfolgt.“
Zitat aus einem uns vorliegenden Trägervertrag:
„Die Vorschriften des Dritten Abschnitts dienen insbesondere dazu, die Kostenstruktur des Trägers in der Weise anzupassen, dass die ab dem 01.01.2025 an ihn zu erbringende direkte Förderung nach den Teilen 4 und 5 KiTaG seine Kosten decken wird (Konvergenzbemühungen), so dass gemeindliche Finanzmittel vollständig entfallen.“
Träger werden mit solchen Paragraphen gezwungen, Ihre Qualitäten bis (spätestens) 2024 auf die Mindestqualitäten abzusenken. Um diese Forderungen durchzusetzen, wurde an Standorten, an denen der Träger dem nicht zustimmen wollte, die Kündigung seitens der Kommune ausgesprochen, um entsprechenden Druck zu erzeugen.
Eigenleistungen
Für viele, vor allem kleine, Träger ist es besonders herausfordernd, dass wir in unterschiedlichen Gemeinden vermehrt auf die Problematik stoßen, dass versucht wird, die Kompensation der Elternbeiträge, durch den Elternbeitragsdeckel, auf die Einrichtungsträger zu verlagern und diese als Eigenmittel zu deklarieren.
Zitat aus einem uns vorliegenden Trägervertrag:
„(1) An Eigenleistungen bringt der Träger bis zum 31.12.2024 jährlich Folgendes ein:
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Leitung der Verwaltung,
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Notfallbetreuung bei unvorhergesehenen Personalengpässen,
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Gartendienste der Eltern,
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Handwerkliche Leistungen im Gebäude um im Bereich des Außenspielgeländes,
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Öffentlichkeitsarbeit,
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Vorstandsarbeit,
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Zuwendungen des Vereins aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden.“
Gruppengrößen
Die Anstrengungen der Reform, die pädagogische Qualität in den Einrichtungen zu verbessern, indem Sie u.a. die Gruppengrößen reduziert haben, stehen die Vertragsentwürfe der Gemeinden ebenso in Teilen entgegen. Obwohl es sich bei der Erhöhung der Gruppenzahlen um gut begründete Ausnahmen handeln sollte, wollen Gemeinden die Gruppengrößen bereits in den Verträgen heraufsetzen und als Standard deklarieren, um bessere Finanzergebnisse zu erzielen.
Zitat aus einem uns vorliegenden Trägervertrag:
„Der Träger erhöht die Gruppengrößen in dem gemäß § 25 Abs. 2 KiTaG zulässigen Maße [Anm.: von 20 auf 22 Plätze], um fehlende Elterneinnahmen durch nicht besetzte Plätze zu erzielen oder wenn die Stadt dies zur Deckung des Betreuungsbedarfes für erforderlich hält.“
Ausfälle von Elternbeiträgen
Den Berechnungen der SQKM-Pauschalen liegt die richtige Annahme zugrunde, dass in keinem Fall, trotz Durchführung eines wirksamen Mahnwesens, immer alle Elternbeiträge erhoben werden können und es zu Zahlungsausfällen wegen Zahlungsunfähigkeit seitens der Eltern kommt. In den Pauschalen ist ab Januar 2025 daher eine Ausfallquote von 7% im Krippenbereich und 6% im Elementarbereich (§ 40) berücksichtigt, um die Träger entsprechend abzusichern. In den uns derzeit vorgelegten Trägerverträgen lesen wir trotzdem vermehrt den folgenden bzw. einen ähnlichen Absatz:
Zitat aus einem uns vorliegenden Trägervertrag:
„(5) Die Einziehung der Elternbeiträge ist Aufgabe des Einrichtungsträgers. Unterbliebene Zahlungen der Eltern sind das alleinige Risiko des Einrichtungsträgers.“
Das Risiko eines Zahlungsausfalls wollen Gemeinden damit vollumfänglich an den Träger auslagern.
Die genannten Beispiele sind leider keine Einzelfälle und nur eine Auswahl von vielen den Zielen der Reform konträr laufenden Entwicklungen in der Kitalandschaft in Schleswig-Holstein. Haben Sie das mit der Reform wirklich gewollt?
Sofern gewünscht, legen wir Ihnen die originalen Vertragsentwürfe vor. Ferner erläutern wir Ihnen einzelne Hintergründe zu den oben benannten Problematiken und weiteren, z. B. in persönlichen Gesprächen und stehen auch für Rückfragen gerne zur Verfügung.
Abschließend finden Sie unsere Anmerkungen zu den vorgelegten redaktionellen Änderungen im KitaG
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§ 22 Hier sollte ein Hinweis aufgenommen werden, dass in Zeiten der Pandemie und im Übergangszeitraum für die Nachschulung der Mitarbeiter*innen zur Sprachbildung drei Tage außerhalb der Schulferien in SH in Sonderfällen und nach Abstimmung (Elternvertretung und Gemeinde) überschritten werden können.
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§ 31c Für die Hortbetreuung wird nicht deutlich, ob der Hortbetreuungsbeitrag ganzjährig konstant für die unterschiedliche Betreuungszeit/ Ferien-Schulzeit zu berechnen ist oder ob es sich um wechselnde monatliche durchschnittliche Betreuungsstunden handelt. Eine einmalige Durchschnittsberechnung für das ganze Jahr ist aus unserer Sicht vorzuziehen.
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§ 57a, Abs. 1 Bezieht sich die Änderung nur auf die Klarstellung, dass Elternvertretungen grundsätzlich über den 31.12.20 hinweg im Amt bleiben oder auch auf nicht notwendige Neuwahlen im Herbst 2020? Eine begrüßenswerte Möglichkeit wäre es für die Einrichtungen, wenn die Elternvertreter aus 2019/20 im Amt bleiben können, da Elternabende derzeit schwer umzusetzen sind. Gleichzeitig hat der Träger die Möglichkeit die Elternvertreter neu wählen zu lassen, wenn er es ermöglichen kann oder der Wunsch der Elternvertretung besteht.
Herausforderungen sind in einem so elementaren Prozess wie der Kita-Reform zu erwarten. Wir gehen davon aus, dass das Land weiter an seinem Reformziel der Verbesserung von Qualitäten in Kindertageseinrichtungen festhält und fordern Sie entsprechend auf, sicherzustellen, dass dieses Ziel wie die anderen eine Umsetzung zum 01.01.2021 erfährt und die Mitarbeiter*innen in den Einrichtungen die dringend benötigte Unterstützung erhalten.